Eigentlich sollte am 27. Februar die erste Klage eines Dieselfahrers gegen den Volkswagen-Konzern vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden. Doch kurz vor Verhandlungsbeginn hat der Kläger seine Klage zurückgezogen und sich mit Volkswagen finanziell verglichen. Diese Praxis hat der Automobilhersteller im Dieselskandal schon häufiger betrieben – nun aber hat sich der BGH am 22. Februar mit einem Hinweisbeschluss aus eigenem Antrieb geäußert und illegale Abschalteinrichtungen als Sachmangel eingestuft. Das soll Autokäufern künftig gegenüber dem Handel den Rücken stärken, eigene Ansprüche durchzusetzen.
Für Neuwagenkäufer relevant ist zudem die Einschätzung der Richter, dass Kunden ein Recht auf Ersatzlieferung haben, auch wenn das Fahrzeug, wie im Fall des klagenden Dieselfahrers, aufgrund eines Modellwechsels gar nicht mehr erhältlich ist. Volkswagen hatte argumentiert, dass ein Austausch unmöglich sei, und eine Ersatzlieferung abgelehnt.
Einschätzung des BGH im Wortlaut:
(…) im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht dürfte – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein. Vielmehr dürfte es – nicht anders als sei das betreffende Modell noch lieferbar – im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ankommen. Dies führt jedoch nicht zur Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB; vielmehr kann der Verkäufer eine Ersatzlieferung gegebenenfalls unter den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern, sofern die Ersatzlieferung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Signalwirkung für andere Gerichte
Auch wenn der Hinweisbeschluss kein Urteil ist, hat er dennoch Signalwirkung für andere Gerichte und soll am Ende auch die Praxis der kurzfristigen Vergleiche durch Autohersteller vor der höchstrichterlichen Instanz des BGH verhindern helfen. Zurzeit sind gegen den deutschen Autokonzern rund 50.000 Klagen im Zuge des Dieselskandals anhängig. Der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentralen haben sich zudem über 400.000 betroffene Verbraucher angeschlossen.