05.05.2024 Christian Schreiber

Abenteuer-Urlaub für Familien im Passeiertal

Im Südtiroler Passeiertal steckt jede Menge Abenteuer. Sportliche Familien können sich im Wasser und am Fels auspowern. Beim Canyoning muss man ein Flussbett durchsteigen, in dem die Hindernisse so groß sind wie Lastwagen. Beim Rafting braucht man gute Nerven, beim Klettern Geschick und Kraft.


Plötzlich springt unser Guide Eduardo ins andere Schlauchboot. Wir können es nicht fassen, dass wir nun allein auf der Passer treiben. Eine vierköpfige Familie mit Kunststoffpaddeln, mit denen wir die Stromschnellen bändigen sollen. Der Fluss faucht, die Strudel wirbeln uns durcheinander, wir geben unser Bestes.

Wir sind selbst schuld, schließlich haben wir uns für einen Abenteuer-Urlaub in Südtirol entschieden. Die Wahl fiel auf das Passeiertal, das sich vom Timmelsjoch bis fast nach Meran erstreckt. Das ist auch der Weg, den der Fluss Passer zurücklegt. Der Einstieg für das Rafting befand sich südlich von St. Martin. Alle Teilnehmer schlüpften in Neoprenanzüge, Eduardo drückte uns Paddel in die Hand, erklärte die wichtigsten Sicherheitsregeln und wenig später fanden wir uns auf dem Wasser wieder.

Es begann harmlos, das andere Boot mit den übrigen Teilnehmern schaukelte nahezu gleichauf mit uns. Als die Passer Fahrt aufnahm, sagte uns Eduardo, was zu tun ist. Vorwärts oder rückwärts paddeln oder einfach stillhalten. Aber dann sprang Eduardo aufs andere Boot und überließ uns dem Schicksal.
 

Wasser als Taktgeber

Jetzt lacht er und ruft: „Das schafft ihr schon, ihr wisst ja, wie es geht.“ Natürlich ist es kein besonders schwerer Abschnitt, den wir alleine bewältigen müssen. Aber der Fluss treibt uns immer wieder ans Ufer, wo wir Bekanntschaft mit vielen Trauerweiden machen. Nach zehn Minuten erlöst uns Eduardo. Die zwei Schlauchboote liegen gleichauf, er springt herüber und übernimmt wieder das Kommando. „War ein cooles Spiel, oder?“ Der Fluss gibt den Takt vor, Eduardo nutzt alle Schwierigkeiten aus. Wir steuern jeden Strudel an, prallen mit dem Boot absichtlich gegen Felsen. „Ihr wollt doch Abenteuer“, ruft Eduardo.
 

Hindernisse wie Lastwagen

Fürs nächste Abenteuer geht es wieder ins Wasser. Wir landen im Kalmtal, das vom Passeiertal nach Westen abzweigt. Auch fürs Canyoning gibt es Neoprenanzüge. Diesmal ist Daniel an unserer Seite, und er macht in wenigen Worten klar, was auf uns zukommt: „Ich bin nicht nur Guide, sondern auch Seelsorger.“ Was er damit meint: Wenn die Teilnehmer nicht ins Flusswasser springen wollen oder Bedenken haben, sich über den Felsen abseilen zu lassen, will er auf sie einreden, Vertrauen gewinnen und überzeugen.

Als wir losstapfen ist alles friedlich, der Fluss ein Flüsschen. Aber bald schon tauchen Felsbrocken auf, die so groß sind wie Lastwagen. Mal kommen wir links oder rechts daran vorbei. Doch irgendwann gibt es keinen Ausweg mehr – und der erste Sprung aus zwei Metern Höhe steht an. Augen zu und durch.

Als Nächstes ist Rutschen angesagt. Das Wasser hat die Felsen abgeschliffen, Natur-Badewannen daraus geformt. Wir legen uns flach hin und lassen uns vom Fluss mitreißen. Manchmal sind die Abschnitte zehn Meter lang und am Ende landen wir in Gumpen, die so tief sind, dass man nicht stehen kann. Wo laufen, springen oder rutschen nicht möglich ist, muss Daniel jeden einzeln abseilen. Wir tragen Bauchgurte, über die uns der Guide sichert. Auch im Kalmbach ist für Extra-Nervenkitzel gesorgt. Wer will, kann einen Megasprung vom Rand in den Fluss machen. Fünf Meter geht es in die Tiefe. Die Eltern winken dankend ab, aber die 13-jährige Tochter lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen und platscht mit einem lauten Schrei ins Nass.

Mächtige Granitbrocken dominieren den Kalmbach. Als Mensch kommt man sich manchmal vor wie eine kleine Spielfigur aus Lego, die den Naturgewalten ausgeliefert ist. Teils spannen sich riesige Baumstämme von Ufer zu Ufer. Sie wurden im Winter von Lawinen mitgerissen. Von links und rechts strömt Wasser in den Bachlauf, an den Berghängen sieht man mächtige Wasserfälle. Auf diese Weise gelangt immer wieder Geröll in den Kalmbach. „Er verändert sich von Tag zu Tag“, sagt Guide Daniel, als wir im knöchelhohen Wasser stehen.

Es gibt noch eine weitere, schöne Erkenntnis für uns: Canyoning ist Mannschaftssport. Man muss sich gegenseitig helfen, die Hand reichen, wenn jemand gerade auftaucht und mit großen Augen flacheres Gewässer sucht. Man muss sich auf die anderen verlassen können, geduldig sein, wenn gerade eine Abseil-Aktion ansteht und die anderen vor einem an der Reihe sind. So eine Tour schweißt zusammen.

Beim Klettern am Felsen ist Vertrauen noch wichtiger. Wir Eltern stehen am Fuß der Wand und sichern die Töchter, die in 15 Metern Höhe agieren. Bergführer Thomas hat den Kindern am Anfang beigebracht, wie man einen Achterknoten im Kletterseil knüpft, mit dem sie sich in die Sicherung einhängen. Konkret: in den Gurt, der sich um den Bauch der Eltern schlängelt. So kann man im Fall der Fälle einen Sturz abfangen. Die Anfängerrouten im Klettergarten Bergkristall bei Pfelders, das sich in einem weiteren Seitental befindet, meistern die Kinder spielend. Der Fels bietet nur wenige natürliche Tritte und Griffe, man muss meist auf Reibung klettern, wie es unter Profis heißt. Mit speziellen Schuhen, die sehr eng sind und die Zehen förmlich einquetschen, gelingt das recht gut. Sie haben eine aufgeraute Spitze, die ein wenig an Schmirgelpapier erinnert und das Abrutschen verhindert. Kniffliger wird es, als ein erster Überhang wartet. Beide Töchter benötigen zwei Anläufe, ehe sie das Hindernis überwinden können. Bergführer Thomas ist angetan von der Leistung: „Für Anfänger macht ihr das sehr gut.“ In Pfelders haben wir uns richtig verliebt, nicht nur wegen der Kletterpartie. Das Dorf ist verkehrsfrei, man darf sich nur zu Fuß oder mit Kutschen durch den Ort bewegen. Die Häuser sind renoviert und haben ihren alpenländischen Charme aus dunklem Holz und Stein behalten. Es gibt viele Ferienwohnungen und Zimmer am Bauernhof, die für einen Familienurlaub noch erschwinglich sind.
 

Viele Möglichkeiten

Klar, wer hier oben ist, muss unter Umständen mehr Fahrtzeit in Kauf nehmen, um Ziele wie Canyoning, Rafting oder auch Meran zu erreichen. Aber auch rund um Pfelders selbst gibt es einige Freizeit-Möglichkeiten wie den „Spiderpark“, ein Hochseilgarten im Wald, der in erster Linie auf natürliche Hindernisse setzt. Sehr gut kommen bei den Kindern die Seilrutschen an, die in 40 Metern Höhe über den rauschenden Bach führen. Das Abenteuer geht weiter.

ARCD-Reiseservice

Titelfoto: Tourismusverein Passeiertal/Benjamin Pfitscher


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